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fliegerbreit
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brrrr ist das kalt hier

 
Dieser Text war ursprünglich eine auf vier Posts aufgeteilte Antwort auf diesen Beitrag von Martin Blumenau auf fm4.orf.at. Weil er sich aber genauso auf die ganze öffentliche Debatte wie auf Blumenaus Geschichte bezieht, poste ich ihn hier, leicht modifiziert, nochmal als Blog.



Uli Hoeneß ist natürlich nicht "nur das", als was du ihn bezeichnest. Er ist zum Beispiel nie einer gewesen, der Menschen, die am Boden liegen noch extra eine mit gibt. Im Gegenteil, inzwischen dürfte hinlänglich bekannt sein, dass es ohne Uli Hoeneß den FC St. Pauli, Borussia Dortmund, 1860 München und noch ein paar andere Vereine vielleicht nicht mehr geben würde, dass er nicht einem, sondern vielen ehemaligen Spielern in schwierigen Lebenslagen beigestanden ist (und wir reden hier nicht von Liebeskummer sondern von komplett versoffenem Vermögen, schweren Autounfällen und ähnlichem).
Bei allem Patriarchengehabe und bei aller fehlenden Demut, die Hoeneß (nicht nur) hier zeigt: so jemanden lässt man nicht fallen in so einem Moment. Was wäre das bitteschön für ein Zeichen gewesen?

Klar könnte auch ein Uli Hoeneß drauf kommen, dass zur Schuldeinsicht ein wenig mehr gehört als einmal leise "sorry" zu sagen. Und klar ist es etwas einfältig, auf alle Herausforderungen dieser Welt immer nur mit dem Kraftmeier- und "mia san mia"-Reflex zu reagieren.

Aber man kennt das ja: wenn ein Patriarch Schwäche zeigt, dann fällt die Meute über ihn her, wie weiland bei Christian Wulff gut zu beobachten war, der jetzt wegen 750 € vor Gericht steht. Und wie es auch bei Uli Hoeneß schon zu sehen war, als in der Daum-Kokain-Geschichte alle kollektiv auf ihn eingedroschen haben, bis Daums Haartest dann die Meute zum Verstummen gebracht hat. Ich kann mich nicht erinnern, dass auch nur einer der Hauptakteure, die damals öffentlich Öl ins Feuer gegossen haben, sich hinterher auch nur ein leises "sorry" abgerungen hätte.

Nein, Mitleid muss man mit Uli Hoeneß keines haben, er liefert schon seit längerem ein typisches Beispiel für die Selbstüberschätzung eines Patriarchen. Und dass die Zeit des Moralapostels Uli Hoeneß vorbei ist, darüber kann man auch dann froh sein, wenn man die Probleme, die er in seiner selbstgerechten Art angesprochen hat, trotzdem ernst nimmt.

Was die von Dir angesprochene öffentliche Hygiene und Ethik betrifft: dass man Steuerhinterziehung nicht mehr als Kavaliersdelikt begreifen sollte, darüber sind wir uns natürlich einig, aber ist es tatsächlich an der Mitgliederversammlung des FC Bayern, hier den gesellschaftlichen Wertewandel öffentlich zu vollziehen? In welcher Form hättest du dir das vorgestellt? Dass man den langjährigen Manager und Präsidenten von der Bühne buht?

Und was ist das dann für eine Ethik (der Begriff "öffentliche Hygiene" passt in dem Zusammenhang tatsächlich besser), wenn man Menschen, die Scheiß gebaut haben - und Uli Hoeneß ist ja kein Mafiaboss, sondern ein Steuerhinterzieher wie viele andere auch - von einem Moment auf den anderen wie Aussätzige oder Berufsverbrecher behandelt? Er wird seinen Prozess bekommen und vielleicht auch in den Knast gehen, aber inwiefern entwertet es das, was er für den FC Bayern getan hat?

Ich bin mir auch nicht sicher, ob von denen, die derzeit öffentlich über Uli Hoeneß' moralische Integrität ihre Urteile fällen, wirklich alle stets ihre Steuern brav abgeliefert haben. Ich wage sogar zu behaupten, dass in der Gesamtheit der Kommentare zu ihm deutlich mehr Heuchelei als gerechte Empörung steckt. Natürlich hat nicht jeder Kindergärten oder Krankenhäuser verheimlicht, aber Moral fängt im Kleinen an, nicht erst bei 2,3 Millionen. Und um Moral geht es ihnen ja, angeblich, oder vielleicht doch nur um die gleiche Selbstgerechtigkeit?

Uli Hoeneß mit Kweku Adoboli zu vergleichen, und damit bin ich jetzt wieder bei deinem Kommentar, ist allerdings ein schlechter Witz, denn erstens hat Hoeneß nicht das Geld anderer Leute verzockt, sondern höchstens sein eigenes (wobei er ja die Probleme bekommen hat,vweil er es eben nicht verzockt sondern vermehrt hat), und zweitens sind 2,3 Millionen nicht "fast schon" 2,3 Milliarden, sondern ziemlich genau 0,1% davon.
 
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